Über 44 Jahre lang „d’Gosch net g’halte“

Brettener Bütt feiert in diesem Jahr närrisches Jubiläum / Urgestein Fredy Ersch hört auf

VERGANGENHEIT, GEGENWART UND ZUKUNFT der Brettener Bütt auf einem Bild vereint: Urgestein Fredy Ersch mit Anette Giesche (links) und Sarah Knötig im mit Erinnerungen an die närrische Geschichte der Stadt vollgespickten Keller von „Pfeiferturmspatz“ Ladislaus Kahn.

Bretten. „Bredde, wau wau!“ – dieser närrische Schlachtruf wird in exakt vier Wochen wieder hundertfach erschallen – bei der Brettener Bütt, die in diesem Jahr zum 44. Mal über die Bühne geht. Im Prinzip, soviel kann man den Verantwortlichen entlocken, ist der Programmablauf ähnlich wie in den Vorjahren; die Besucher dürfen sich jedoch auf manche Überraschung in den Vorträgen freuen.

Die Geschichte des Faschings in Bretten ist natürlich viel älter, denn bereits vor dem Ersten Weltkrieg gab es so genannte Kappenabende. In den 1950er Jahren regte der damalige Musikvereins- Vorsitzende Oskar Hinz die Gründung der Karnevalsgesellschaft des Musikvereins (KAGEMU) an, die in der „Stadt Pforzheim“ Prunksitzungen auf die Beine stellte. Nachdem deren Festsaal abgebrannt war, ging es ins Restaurant „Schneckenbuckel“ – damals organisierte Erwin Schmidt die Faschingsveranstaltungen, bei denen hauptsächlich närrische Importe aus Bruchsal das Programm bestritten.

 

Jubiläumsorden zur 11. SitzungDas änderte sich 1970: In diesem Jahr plante der frisch gebackene Vorsitzende des Musikvereins Bretten, Werner Sailer, einen internen Kappenabend im Bernhardussaal. Ab 1972 gab es jährlich eine Bütt (lediglich 1991 wurde im Zuge des Golfkriegs nicht gefeiert), zunächst mit Unterstützung des Karlsruher Karnevalclubs. Sailer, erinnert sich Fredy Ersch, der seit 1977 als Elferratspräsident wirkte, habe die Bütt „autoritär geführt“, fast alle Büttenreden selbst geschrieben und das vortragende Personal selbst ausgewählt. Im Gegensatz zu heute sei damals auch „mindestens der halbe Gemeinderat“ in der Bütt aktiv gewesen – Namen wie Urban, Traut, Häffner, Heß oder eben Sailer fallen ihm dazu spontan ein. Ersch selbst bildete damals mit Walter Sauer und Emil Ludi die „Pyramiden-Kosaken“, die die Turbulenzen um das Kaufhaus Schneider, die Schließung des Finanzamts und des Güterbahnhofs sowie manche frivole Begebenheit im Tabaris Scotch Club am Bahnhof närrisch veredelten. Generell habe es „mehr Lokalkolorit“ als heute in den Vorträgen gegeben, sagt Ersch, aber auch „viel mehr Dummes“.

 

Und Sachen, die für juristischen Verdruss gesorgt haben, wie Ladislaus Kahn, seit der ersten Sitzung in der Bütt aktiv, ergänzt: „Es gab mal einen Weinhändler, der gepanschten Wein als Beaujolais verkauft hat“, die „Geschichte mit dem VfB-Clubhaus“, einen Vereinskassier, der in die eigene Tasche wirtschaftete oder eine Parodie auf einen ehemaligen Chefarzt – als Pumuckel.

 

„Wir sind“, sagt Fredy Ersch heute rückblickend, „aber nie unter die Gürtellinie gegangen“. Übrigens: Der eingangs genannte Schlachtruf war erstmals 1978 im Bernhardushaus zu hören, und 1981 dichtete Werner Sailer die unsterbliche Hymne „In Bredde, do isch jeder gern, in Bredde, do isch’s schee“.

 

Nach dem Tod des umtriebigen Karnevalisten aus der Oststadt seien die Bütt-Nachfolger „in ein tiefes Loch gefallen“, erinnert sich Anette Giesche. „Anfangs hieß es: Die Bütt ist alt und verstaubt“, erzählt Giesche. Ab Anfang/ Mitte der 1990er habe man dann versucht, mit den Pfeiferturmspatzen wieder mehr Eigenes auf die Bühne zu stellen – und das sei dann mit zahlreichen Eigengewächsen (Dieter Petri, Werner Hellebrand, Hansi Klees und vielen anderen) schließlich auch gelungen.

 

Ein kritischer Artikel in den BNN löste übrigens Mitte der 1990er einen Wandel beim Publikum aus: Kamen bis dahin die Besucher meist im dunklen Anzug und Abendgarderobe, stieg seit dem Bericht die Zahl derer, die sich in närrische Schale werfen, stetig an. „Das war so eine Trotzreaktion“, glaubt Giesche. „Die Leute haben gesagt: Wir lassen uns nicht als Langweiler darstellen.“

 

Der Jubiläumsorden 2016Im Jahr 2004 fand die Bütt erstmals in der Stadtparkhalle statt – ein zunächst schmerzlicher Wechsel: „Die Stadtkapelle musste in kleinerer Besetzung jetzt vom beliebten ,Gepäcknetz’ im Bernhardushaus auf die Bühne“, sagt Giesche, die sich anfangs „nicht vorstellen konnte, diese große Sporthalle zu einer richtig tollen Narhalla zu machen“.

 

Immerhin: Die gestiegenen Ansprüchen des Publikums in puncto Sound und Lichteffekte konnte man in der Halle leichter erfüllen. Und seit dieser Zeit zieht auch stets die ein oder andere Polonaise durch den Saal. Zudem hat sich die „After-Show- Party“ im Foyer zum echten Renner entwickelt.

 

Seit 2006 brilliert Bernd Neuschl als Sitzungspräsident – und führt das Ur- Motto „Numme d’Gosch net g halte“ nicht nur in seiner Paraderolle als Bernfried Nudelhuber fort. „Der war ein echter Glücksgriff“, sagt Fredy Ersch, der in diesem Jahr zum letzten Mal in der Bütt auftreten will – und neben dem ersten Orden zur elften Sitzung (Bild Mitte) inzwischen alle närrischen Auszeichnungen im Schrank hat.

 

Um die Zukunft der Bütt brauchen sich die Verantwortlichen im Musikverein keine Sorgen zu machen – gibt es doch immer wieder junge Talente, wie etwa Sarah Knötig. Die 15-jährige Schülerin tritt seit fünf Jahren mit Antonia Giesche als „Die Lausemädels“ auf – und das oft mit eigenen Texten.

 

Mit freundlicher Genehmigung der BNN

Fotos (3): Rebel

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